Blumfeld taucht ab

Leseproben


(...) Nora nippte gerade an ihrem Abspeck-Tee, als
Dr. Reginald Bellamy den Kopf durch die Tür steckte.
Zuerst erspähte er mich und ein breites Lächeln lief über
sein Gesicht, das noch unrasierter war wie am Vortag.
Dann entdeckte er Nora.
Dr. Reginald Bellamy war ein höflicher Mensch.
Er schob sich vollständig durch die Tür herein, um sich vorzustellen.
Nora stellte klirrend ihre Teetasse zurück und erstarrte zur Salzsäule.
Dr. Reginald Bellamy, gehüllt in einen schlabbrigen, rühreierfarbenen
Bademantel, die Haare wirr abstehend, mit vom Schlaf zerknautschtem Gesicht
und umwölkt vom Duft des Ungewaschenen, wischte freundlich lächelnd
seine Hand zuerst am Bademantel ab und streckte sie dann Nora hin.
»Bellamy«, wollte er sagen, doch Nora wich zurück und starrte ihn mit
aufgerissenen Augen an, als hätte er sie aufgefordert, durch einen
brennenden Reifen zu springen.
Dr. Bellamy warf mir einen irritierten Blick zu und zog die Hand zurück.
»Guten Morgen, Patrick«, sagte er etwas hilflos und rieb sich seine Hand,
als hätte er sie versehentlich in den Schlund eines Hais gesteckt. (...)


(...) Professor Brady Bellamy war außer sich. Er tobte.
»Die Papiere, von denen wir neulich gesprochen haben!
Die Lade-Liste! Die Charter-Partie! Du hast hier
rumgeschnüffelt! Und hast sie eingesteckt! Gibs zu!«
Professor Brady baute sich vor mir auf, drei Zentimeter von
meiner Nasenspitze entfernt, so wütend, so fuchsteufelswild,
dass ich das Rote in seinen Augen sehen konnte. Es hätte
mich nicht gewundert, wenn ich noch blutige Reste seines
Frühstücks, irgendeiner armen zerfleischten Kreatur,
zwischen seinen Zähnen entdeckt hätte.
»Aber Papi...«, haspelte Reginald hilflos.
»Ich habe rein gar nichts gemacht!«, erwiderte ich kühl.
»Nicht herumgeschnüffelt! Nichts eingesteckt!«
Meine höflichen Worte verpufften ins Nichts. (...)


(...) Ich versuchte, am Rand des abschüssigen Gerölls hinunter
zu klettern und mich an der zerklüfteten Höhlenwand festzuhalten.
Das gestaltete sich schwierig, weil das Gestein sehr locker und fast
kugelrund war und ich darauf herumeierte wie auf einem Berg
ausgedienter Billardkugeln. Prompt verlor ich den Halt. Ich strauchelte,
versuchte, mich besser festzuhalten, strauchelte noch mal. Und hörte
es verhängnisvoll knirschen. Mein linker Fuß verschwand jäh
in einem Felsspalt. Noch bevor ich es begriff, schoss schon ein höllischer
Schmerz durch meinen Knöchel. Ich spürte, wie das Blut in meinem
Fuß pulsierte und der Knöchel anschwoll, und wie sich die zackigen
Ränder des steinernen Spalts wie Messer immer enger um meinen Fuß
schlossen. Völlig geschockt hielt ich inne und wartete. Selbst wenn ich gekonnt
hätte, hätte ich nicht gewagt, mein Bein zu bewegen. Womöglich
wäre mein Fuß noch mehr angeschwollen. Meine Chancen, ihn jemals
wieder aus dieser Falle zu bekommen, wären auf eine Winzigkeit geschrumpft.
Zum Glück hatten meine Sneakers noch das Allerschlimmste abfangen können.
So verharrte ich, halb sitzend, halb kniend,
halb an die Felswand gelehnt, und überlegte fieberhaft.
Doch die Panik raubte mir fast den Verstand.
Das Herz hämmerte mir in der Brust.
Wenn es mir nicht gelang, mich zu befreien, war es aus mit mir.
Ich war gefangen von einem Stein.
Ich konnte um Hilfe schreien so viel ich wollte, es nützte nichts.
Niemand wusste, dass ich hier war.
Keiner kannte diese Höhlen.
Niemand würde mich finden. (...)